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15 September

01.9.15  

Gestern Abend um 18 Uhr klingelte unangemeldet ein Typ von Kabel Deutschland bei mir und wollte nachschauen, ob meine Fernsehkabeldose noch den Erfordernissen für die Digitalisierung entspricht. Da Kabel Deutschland immer wieder Werbebriefe verschickt, die ich gleich in den Papierkorb schmeiße, habe ich ihn gar nicht erst in meine Wohnung gelassen.
Danach habe ich gegoogelt und diverse Horror-Stories zu Kabel Deutschland gefunden. Ich brauche kein Kabelfernsehen, denn mein inzwischen über 10 Jahre alter Plasmafernseher kann auch DVB-T. Ich benutze ohnehin sämtliche Fernseher in Berlin und auf meinem Bauernhof nur noch als Monitore.

Hier ist endlich mein russisches Visum.
Auf meinem Bauernhof kann ich endlich die Renovierungsarbeit meiner Tochter Joya und meines künftigen Schwiegersohns Philipp bewundern.

Hier ist alles gestrichen in einem zarten Blau.

Auf der Wand zur Küche und zum Badezimmer wird die Farbe kräftiger. Sogar die Zimmerdecke, die überall Risse hatte, ist schon gestrichen. Und sogar die Stromleitungen sind unter Putz gelegt.Ich versuche, für mein Foto Licht zu machen, denn draußen ist es richtig dunkel geworden. Der Lichtschalter funktioniert allerdings nicht. Am nächsten Wochenende kommen die beiden wieder und wollen den Boden abschleifen und die zerbrochenen Dielen erneuern.
Joya hat mir am Montag gemailt "Es war echt wieder traumhaft in Niendorf.. Da draußen bin ich echt immer total grundzufrieden und glücklich.  Aber Du bist einfach die Seele des Bauernhofs, ohne dich fehlt da was."
So was macht mich glücklich.

Kaum habe ich im Supermarkt die Dinge gekauft, die ich zum Essen hier brauche, wird der Himmel dunkel. Es donnert und blitzt und es beginnt in Sturzbächen zu regnen. Die Temperatur fällt um über 10 Grad. Der japanische Professor aus Kyoto, der mich morgen hier besucht und bei mir übernachtet, wird dank Joya ein perfekt vorbereitetes Bett vorfinden.

Am meisten begeistert mich die Delle im Kopfkissen. Für mich ist die Delle eine Liebeserklärung an mich.

02.9.15  
Endlich wieder auf meinen gewohnten Fahrradwegen.

Das Gewitter von gestern Abend wurde ganz offensichtlich auch von einem Sturm begleitet.

Am Nachmittag hole ich Professor Takagi von der Universität in Kyoto am Bahnhof in Luckau-Uckro ab. Bei 2 Flaschen Rotwein unterhalten wir uns über meine Filme…

…und essen ein Homus-Rezept mit Knoblauch und Olivenöl, das mir meine ägyptische Freundin empfohlen hat.

03.9.15  

Professor Tagaki erklärt mir heute Morgen ausführlich, wie meine ägyptische Freundin im November nach Kyoto kommt. Es ist total kompliziert. Von Berlin nach Niendorf zu kommen ist sehr viel einfacher (die Entfernung ist etwa gleich) . Es gibt zwar den Haruka Express-Schnellzug, der alle 30 Minuten fährt, aber die Einreiseprozedur dauert je nach Andrang eine Stunde oder länger. Und in der Nacht fährt der Zug überhaupt nicht. Meine ägyptische Freundin muss für ihren Rückflug mit einem Sammeltaxi schon um Mitternacht, weil ihr Flug um 5.45 Uhr geht, zum Flughafen fahren.

Professor Tagaki schafft es ohne meine Hilfe am Fahrkartenautomat in Luckau-Uckro eine Fahrkarte für seine Rückfahrt nach Berlin zu lösen. Ich bin beeindruckt. Draußen regnet es. Ich hatte gestern Glück, meinen neuen Biertisch mit zwei Flaschen Rotwein (die er mitgebracht hatte) einweihen zu dürfen.

04.9.15  
Die Welt ist heute morgen noch fast unsichtbar.
Ich bin kein Werner Herzog-Fan, finde die Videokritik von David Steinitz (LINK) zu seinem neuen Film aber bemerkenswert, weil nahezu alle anderen Kritiker ihn schlecht fanden. Vor einem Jahr hat David Steinitz diesen Text über alle meine Filme geschrieben. Ist doch klar, dass ich auf sein Urteil etwas gebe.

Ein kurzes Gewitter weckt mich aus meinem Mittagsschlaf und…

…die Wäsche, die ich vor zwei Stunden aufgehängt hatte, ist schon wieder nass.
Danach wird mir Heizöl geliefert, das ich zum Glück bereits am letzten Mittwoch, als der Preis am Tiefsten war, bestellt hatte. Der Tank war leider noch halbvoll. Statt 4.500 Liter gingen nur 2.200 Liter rein. Immerhin habe ich gegenüber dem heutigen Preis 130 € gespart.
Mein Sohn Nicolai und meine künftige Schwiegertochter Ina besuchen mit ziemlich überraschend. Ich koche Auflauf. Beim Fahrradhändler in Dahme holen wir das reparierte Fahrrad meiner ägyptischen Freundin ab.





Jetzt sind auch Joya und Philipp dazugekommen. Rechtzeitig zum Auflaufessen.

Ina und Nicolai.

Sonnenuntergang. Wie immer hier auf dem Bauernhof. Falls es nicht mal gerade regnet.

Fotoshooting.
05.9.15  


Sonnenuntergang fotografiert von Nicolai.

Tote Mücken an der Wand über dem Bett im Oleanderzimmer.

Unser Frühstück. Ina richtet für mich WhatsApp auf meinem antiquierten iPhone ein und wundert sich darüber, wieviel ich Speicher habe.

Ina und Nicolai reisen wieder ab.

Die nächste Etappe der Wohnungsrenovierung. Dielen abschleifen.

Eine Stunde später. Die zerbrochenen Dielen am Fenster links in der Ecke wurden gestern komplett durch neues Holz ersetzt. Serpil Turhan ist da im März 2014 beim Filmen, wie ich ein neues Drehbuch schreibe eingebrochen.

Ein Foto von damals. Ich liebe Bauarbeiten bei mir im Bauernhof. Es ist ein bisschen wie Filme machen. Jeden Tag gibt es sichtbare Fortschritte
Professor Tagaki hat jetzt mein Blog von Januar bis Mai nochmal gelesen und mailt mir aus Paris, dass mein Blog faszinierender sei als die Romane von Haruki Muramkami. Da ich aufgehört habe, Filme zu machen, sondern nur noch blogge, gefällt mir das.
Aus St. Petersburg bekomme ich eine Email, dass ich dort in einem Filmclub einen Film, der mir gefällt, vorstellen soll. Ich habe mich für "Oki's Movie" von Hong Sang-soo entschieden.

06.9.15  

Zum Radfahren heute früh zum ersten Mal mit Schal und Mütze, denn es ist so schlagartig kalt geworden, als hätte jemand einen Schalter umgelegt.

Die erste Lackierung. Danach muss 3 Stunden gewartet werden. Nach der zweiten Lackierung 6 Stunden Wartezeit für die Schlusslackierung.
Joya hat mich am Abend mit meinem iPhone gefilmt und den Film an meine frühere Frau, die Feldenkraislehrerin und ihre Mutter ist, per WhatsApp geschickt. Postwendend kam deren Kritk an meiner Radfahrhaltung per Sprachnachricht zurück. Ich muss gestehen, ich bin beeindruckt von WhatsApp.

Während meine Kinder nocheinmal per Hand die Dielen des renovierten Zimmers schleifen, entdecke ich diesen Regenbogen. Das bringt definitiv Glück.
Ich habe schon geschlafen. Joya weckt mich und sagt, dass ich jetzt die letzte Lackierung filmen kann. Draußen ist es inzwischen stockdunkel.

Danach sind Joya und Phillip zurück nach Berlin gefahren. Wenn ich mich morgen einsam fühle, kann ich aus den Arbeiten von gestern und heute einen kleinen Film für Vimeo zusammenschneiden.

07.9.15  
Wenn Joya und Philipp in vierzehn Tagen wiederkommen, wollen sie zum ersten Mal in diesem Raum schlafen. Allerdings müssen vorher die beiden Heizkörper installiert sein.

Eine ungewöhnliche Wolke am Himmel über mir beim Fahrradfahren. Mal regnet es, mal scheint die Sonne. Das Leben hier und das Leben auf unserem Planeten ist durcheinander, Der einzige Hoffnungsschimmer für mich im Augenblick ist die Renovierungsarbeit von Joya und Philipp, die geradewegs in die Zukunft gerichtet ist.

Gestern habe ich aus St. Petersburg erfahren, dass ich vom 28. September bis zum 3. Oktober dort sein werde, also sehr viel länger, als ich gedacht habe. Aber ein Ticket für den Flug habe ich noch immer nicht.
Außerdem gestern ein einstündiges Telefonat mit einem Menschen, der mir einmal sehr nahe war, über unsere gemeinsame Vergangenheit. Sie wusste mehr als ich. Ich wusste mehr als sie. Wir konnten uns nicht darauf einigen, wie alles wirklich war. Ich denke, ich muss mit meinen Autobiograhie-Notizen bald weitermachen. Vielleicht nach St.Petersburg.
08.9.15  
In Berlin ist die Mauer vor meinem Vorgarten wieder etwas gewachsen. Ein Arbeiter erklärt mir, dass darüber noch ein Metallzaun gebaut wird.
Gegen Abend erhalte ich endlich mein Flugticket für die Reise nach St. Petersburg. Allerdings fühle ich mich heute krank.
09.9.15   Aus dem gestrigen Krankfühlen wurde leider eine unschöne Nacht mit 39,6 Grad Fieber. Ich habe dreimal kalte Wadenwickel gemacht. Damit ging das Fieber runter und ich konnte, bevor es hell wurde sogar noch etwas schlafen. Trotzdem ist mein Kopf noch etwas matschig.
Mittagessen im Thai-Restaurant und Käse kaufen in der Marheineckehalle. Davor stand dieses Fahrrad für "nachhaltiges Design".
10.9.15   Ich bin endlich wieder auf meinem Bauernhof. Der ist eingehüllt im Nebel. Beim zweiten Frühstück bin ich umgeben von Fliegen. Sieben von ihnen musste ich tot schlagen, um Ruhe zu haben.
Beim Fahrradfahren heute kommt es mir vor, als flöge ich durch die vertraute Landschaft. Ein totales Gefühl von Freiheit, als seien die zwei Tage in Berlin ein Gefängnisaufenthalt gewesen. Außerdem habe ich wieder angefangen, an meine Autobiographie-Notizen zu denken. An die Zigarettensorten durch die ich mich gegenüber meiner Mitwelt dargestellt habe: Players Navicut im Internat, Rothändle beim Drehen meiner ersten Filme, Gauloises beim Drehen mit Martin Schäfer, und dann später rote Gauloises mit Filter, weil die jeder in meinen Filmteams geraucht hat. Zwischendrin auch eine Weile Camel Filter, weil ich so oft in Amerika war und es dort keine Gauloises gab. Dann musste ich an Klaus Lemke denken, der 1966 mit mir in München bei Selbach einkaufen gegangen ist. Vor allem bei der Lederjacke, die ich in Fotos von "DETEKTIVE" trage, hat er mir bei der Auswahl geholfen. Aber auch bei der Unterhosenmarke Eminence, die ich noch heute trage. Ob er das auch tut?
Das Wetter hier ist extrem abwechslungsreich und unvorhersehbar. Gerade noch war ich im Garten und habe dort die inzwischen reifen Früchte fotografiert, Zehn Minuten später blitzt und donnert es und der östliche Himmel wird rabenschwarz. Im Westen scheint die Sonne, und als es anfängt zu regnen, gibt es auch einen Regenbogen.

11.9.15  

Meine Gartenfotos von gestern. Alle, was inzwischen reif geworden ist.

Die Pfirsiche am zweiten Pfirsichbaum sind inzwischen auch reif. Ich esse jeden Morgen eine mit meinem Müsli.

Im letzten Jahr habe ich von diesen roten Weintrauben Gelee gemacht. In diesem Jahr graut mir davor, denn es sind einfach zu viele. Vielleicht Kirschsaft?

Von den Zwetschgen esse ich eine beim Vorbeigehen. Immerhin haben sie in diesem Jahr keine Würmer.

Ich hatte mir eigentlich fest vorgenommen vom Holunder ein Gelee zu machen. Wie vielleicht zum letzten Mal vor zehn Jahren. Jetzt müsste ich Nicolai und Ina eine Woche lang hierhaben, um das hinzukriegen. Ich bin noch immer geschwächt von meinem Fieber von Dienstagnacht.

Keine Früchte zum Essen, aber für die Seele. Drei verschiedene Dahliensorten.
Max Zihlmann hat mir gestern gemailt, dass auch er Eminence-Unterhosen damals getragen hat. Wir waren eben alle Drei von 1964 bis 1968 dicke Freunde. Ich glaube nicht, dass Klaus Lemke sie noch immer trägt, denn man kann sie seit 3 oder 4 Jahren nicht mehr in Geschäften kaufen. Nur noch Online, und ich vermute, Klaus Lemke hat selbst gar keinen Computer, sondern lässt das alles durch seine zahlreichen Fans erledigen. Er hatte ja auch nie ein Auto, weil ich immer eins hatte und für ihn durch Himmel und Hölle gegangen bin. Weil ich ihn bewundert und geliebt habe.
Ein Film von Hamburger Filmmachern über diese Zeit und die mit mir jetzt ein Interview hier auf dem Bauernhof machen wollten, wird vielleicht ohne mich gedreht. Sie wollten die digitalisierten Versionen von "DETEKTIVE", "ROTE SONNE" und "SUPERGIRL" hier bei mir gleich mitnehmen, und ich wollte dafür Geld im Voraus. Mein Argument war, dass diese Daten quasi Filmnegative sind und dass ich die ohne Cash nicht herausgebe. Ihr Argument war, dass sie kein Geld haben und den Film nur aus Idealismus und Liebe zum Kino machen. Das hat mich allerdings kalt gelassen. Es wäre ohnehin nicht um Geld für mich, sondern um 80% für alleskino.de gegangen, die die Digitalisierung wesentlich mitfinanziert haben. Ich kann auch ein knallharter Geschäftsmann sein, wenn es sein muss. Das Interview hätten sie machen können, denn das hatte ich ihnen schon vor einem Jahr zugesagt, aber sie wollten plötzlich kurz vor dem Interviewtermin alles, Interview und Filme, auf einmal. Ich bin gespannt, ob ich von denen nochmal etwas höre.

12.9.15   Zum Thema Unterhosen zum letzten Mal. Heute habe ich drei des alten Modells gewaschen, die nur einfach schwarz waren, die ich aber nirgendwo mehr kaufen kann.

Im Übrigen bin ich inzwischen wieder topfit. 39,6 Grad Fieber kann auch ich nicht einfach so wegstecken.
Jetzt habe ich endlich die 50 Tulpenzwiebeln, die ich vor 2 Wochen in Berlin gekauft habe in die Erde gesteckt. Und wollte danach auch die 70 Krokuszwiebeln in die Erde stecken. Dabei entdecke ich, dass diese Sorte im Herbst blüht und schon im August in die Erde muss. Naja ich hab's trotzdem gemacht. Vielleict blühen sie dann ja im November.

Dann mache ich ein Feuer für Evin, die Tochter von Serpil Turhan, die heute ein Jahr alt geworden ist, sitze am neuen Biertisch, trinke Wein, Fliegen, Wespen und sogar eine Hornisse kommen vorbei. Das Leben ist schön, sagt meine ägyptische Freundin in solchen Momenten immer.
13.9.15   Heute ist Hemdenbügeltag. Früher habe ich meine Hemden in eine Wäscherei in der Bergmannstraße gebracht. Für 2 Euro pro Hemd. Jetzt muss ich das selber machen.

Bei Bruno Preisendörfers "Reise in die Goethezeit" habe ich gestern gelesen: "Selbst im Junggesellenhaushalt Goethes am Frauenplan ab 1782 waren fünf Bedienstete beschäftigt."
Goethe hatte es leichter. Allerdings würde ich das gar nicht aushalten, so viele Leute täglich um mich herum zu haben. Eine Frau um mich herum, gelegentlich, ist für mich völlig ausreichend.

Das war vor drei Tagen. Dieser winzige weiße Streifen war ein Blitz, der den gesamten Himmel erleuchtet hat. Ich hatte es gefilmt und dann dieses Bltzfoto herauskopiert.

Das Feuer von gestern. Ich hatte diese Schubkarre voll Erde am Abend darüber gekippt, damit auch kleinste Reste des japanischen Knöterichs mit der Erde geröstet werden und bin damit zum Köhler geworden. Ich muss in den nächsten Tagen den ganzen Prozess wiederholen. Mit einem sehr viel größeren Feuer. Auf dem Erdhaufen sprießen inzwischen schon wieder mehrere neue Triebe dieser teuflischen Pflanze. Werde ich sterben, bevor sie stirbt? Ich jedenfalls gebe nicht auf.
14.9.15   Und hier der Film vom Hemdenbügeln:

Es ist nicht leicht zur Zeit, glücklich zu sein. In Ägypten erschießt das Militär aus drei Apache-Hubschraubern, die sie vor kurzem von den Amerikanern bekommen haben, Touristen und ihre Begleiter in der weißen Wüste. Sie saßen gerade beim Mittagessen. Man habe sie für Djihadisten gehalten, sagt das Innenministerium.
In Deutschland gestern Abend verkündet de Maiziere, dass es ab sofort wieder Grenzkontrollen gäbe. Genau das Gegenteil von dem, was vorher Angela Merkel gesagt hat. Die Tausende Flüchtlinge, die es am Sonntag bis nach Ungarn oder schon Österreich geschaft haben, müssen sich fragen, ob die Deutschen verrückt geworden sind. Wenn das wenigstens von Angela Merkel verkündert worden wäre. Aber ausgerechnet von Lothar de Maiziere. Wenn ich ihn sprechen höre, fühle ich mich sofort unbehaglich.
Endlich wieder auch mal etwas Schönes. Professor Tagaki ist wieder zurück in Kyoto und hat für meine ägyptische Freundin jede Phase des Wegs auf dem Flughafen beschrieben und mit Fotos dokumentiert. Für mich ist das ein Vorgeschmack auf Japan, und ich beginne schon, mich darauf zu freuen.

Kansai Airport. Liegt auf einer künstlichen Insel und bedient Osaka und Kyoto. Ich bin gespannt, ob auch dort eine riesige Mall ist, durch die jeder Passagier durch muss.

Bahnhof in Kyoto. Ich bin froh, dass ich von Professor Tagaki abgeholt werde, aber zurück muss ich alleine zum Flughafen fahren.
15.9.15   Die riesigen Kuhställe für tausend Kühe, die etwa 2 km von hier gebaut worden sind, sind inzwischen voll besetzt. Schon von Weitem riecht es ganz schön streng. Das Vorbeifahren auf dem Radweg zum Körbaer See ist kein Vergnügen mehr. Ich bin in diesem Jahr einschließlich heute 3.001 Kilometer mit dem Fahrrad gefahren.
Es geht mir heute trotzdem gar nicht gut. Ich bin frustriert von dem, was in der Welt geschieht (hab schon überlegt, ob ich mich von den Nachrichten in der Außenwelt mal für 1 oder 2 Tage ganz abschalten sollte). Und hier auf dem Bauernhof kann ich wegen meines "Tennisarms" auch nicht viel machen. Von den 12 Hemden, die ich für St. Petersburg bügeln wollte, habe ich bis jetzt nur 6 geschafft. Ich weiß aus langjähriger Erfahrung, dass unerledigte Dinge lähmend wirken. Am Nachmittag habe ich mir mein Fieberthermometer in den Popo gesteckt: 37,4. Das erklärt schon ein bisschen meinen kraftlosen Zustand. Ich könnte auch mal für eine Woche nichts in mein Blog schreiben. Vor 10 Jahren habe ich mit dem Gedanken gespielt, das Blog ganz aufzugeben und dann mehrere Protest-Emails bekommen. Damals hatte ich immerhin jährlich einen neuen Film gemacht. Das waren ja auch Signale von meiner Innenwelt an die Außenwelt ("Rauchzeichen"). Jetzt habe ich nur noch mein Blog, mein Vimeo-Account (LINK)) und seit 1 Jahr ein Twitter-Account (LINK), wo ich mehr oder weniger täglich Texte, die mir gefallen haben retweete, weil ich dafür nur auf die Twittertaste drücken muss. Ich habe Twitter während der ägyptischen Revolution entdeckt, aber jetzt ist alles, was damals war, nicht mehr da.
Ich habe heute das Gefühl, dass ich aus der Welt gefallen bin, und niemand auftaucht, um mich zu retten. Wenn ich plötzlich und unerwartet sterben würde, hinterließe ich ein Chaos, in dem sich meine Erben kaum zurecht finden würden. Da ich beim Lesen des jeweils neuen Spiegel seit einigen Jahren auch immer sofort die Nachrufe-Seite lese und gucke, wie alt die Gestorbenen waren, frage ich mich, wie die mit mir umgehen werden, wenn es soweit ist. Ich fände es - im Himmel - schön, wenn sie wenigstens ein Foto von mir drucken würden.

Der Sonnenuntergang heute Abend ist fast zu schön für meine Stimmung.
16.9.15  

Die Äcker links und rechts vom Fahrradweg werden immer kahler. Kein grauhaariger alter Hase weit und breit.

Kartoffelernte. Zuerst wird das Grünzeug weggeschnitten.

Maisernte. Die schwarzen Punkte am Himmel sind kein Dreck auf der Linse, sondern Vögel.
Heute habe ich neun Hemden gebügelt. Insgesamt 15. Jetzt kann ich es wieder sehr viel besser als auf dem Vimeofilm.

17.9.15   Heute, weil mein Hausarzt mir gestern erlaubt hat, meine "Notfall-Globulis" zu nehmen (so nennen wir beide sie, weil sie eine hohe Potenzstufe haben), fühle ich mich wie neugeboren. Warum klassische Homöopathie funktioniert, habe ich aufgegeben zu verstehen. Dass sie funktioniert, erlebe ich mehr oder weniger jedes Jahr seit 25 Jahren aufs Neue. Wenn ich das Fachärzten erzähle, zweifeln die an meinem Verstand.
Außerdem ist heute das Wetter so schön und warm, dass ich in kurzen Hosen Fahrradfahren kann.

Vor meiner Nase fallen mir diese bunten Blätter in den Weg. Jetzt beginnt definitiv der Herbst.

Die ersten Walnüsse sind von meinen beiden großen Walnussbäumen runtergefallen. Die muss ich ab jetzt täglich einsammeln und zum Trocknen auslegen.

Das Mittagessen, das ich mir beim Radfahren heute ausgedacht habe: Zwei Lammspieße, Basmatireis, Knoblauch zusammen mit Salbeiblättern in Butter gebraten. Das schmeckt teuflisch gut.
Meine Tochter Joya, nachdem sie meinen Blogeintrag am 15. September gelesen hat, mailt mir heute morgen:
"Kopf hoch, Papa! Morgen Abend bin ich wieder bei dir auf dem Bauernhof." Das ist fast so gut wie Homöopathie.
18.9.15  


Ich liebe meinen Liebesperlenstrauch am Gartenteich.
Heute morgen lese ich auf Ahram Online (LINK), dass die Mauer an der Mohamed Mahmoud Street in Kairo jetzt abgerissen wird. Meine ägyptische Freundin hat die Graffiti immer wieder über Jahre hinweg fotografiert, und ich habe sie mehrmals gefilmt. Ein wichtiger Teil unserer gemeinsamen Vergangenheit ist damit zerstört. Das macht mich traurig.Wenn ich jetzt in Kairo wäre, würde ich versuchen, den Abriss der Mauer zu filmen.
Es ist vorstellbar, dass ich dabei heute in Ägypten verhaftet würde. Wie auch immer, ich kann nicht nach Kairo fliegen, den in der nächsten Woche fliege ich nach St. Petersburg. Ich hoffe, dass da das Leben und Fotografieren unkomplizierter als in Ägypten ist.

19.9.15   Gestern habe ich mit Joya und Philipp bis um halb zwölf zusammengesessen. Heute wollen die beiden die Heizkörper wieder installieren. Außerdem wollen beide zum erstenmal im neuen Zimmer schlafen.



Mittagessen im Hof. Immer wieder ist der Himmel voll dunkler Wolken. Sollte es tatsächlich regnen muss die Wäsche abgehängt werden und auch die Matratze, auf der die beiden schlafen wollen, in Sicherheit gebracht werden.

In der Scheune habe ich dieses Stück schwarze Folie gefunden, um das weitere Wachstum des japanischen Knöterich zu verhindern. Ein Versuch ist es wert.

Die zwanzig Jahre alten Heizkörper werden gewaschen…

…und etwas später montiert.

Joya und Philipp hier auf dem Bauernhof werden mit diesem Super-Regenbogen vor dem Schlafengehen in Empfang genommen. Sie sind Glückskinder.
20.9.15  




Nach dem Frühstück schlage ich vor, dass wir Steinpilze suchen gehen.

Joya war seit ihrer Kindheit nicht mehr zum Pilzesuchen im Wald.

Ein wunderschöner Schirmpilz.

Der erste Steinpilz.

Und noch viele mehr.

Zum Mittagessen gibt's Bratkartoffeln, Tomatensalat und gebratene Steinpilze (!). Ich finde, dass Joya sehr gut kochen kann. Vielleicht etwas weniger Salz sollte sie beutzen.
Danach wird aufgeräumt und geputzt, denn beide wollen erst im Januar 2016 mit den Renovierungsarbeiten weitermachen.
Als sie wegfahren und ich ihnen nachwinke, kommt es mir so vor als seien zwischen ihrer letzten Abreise vor vierzehn Tagen und heute nur 3 oder 4 Tage vergangen. Je älter ich werde, desto schneller vergeht die Zeit. Ich finde das ganz schön beängstigend.
21.9.15  

Der Tag beginnt gar nicht erfreulich. Der Himmel ist voll dunkler Wolken, und aus Japan bekomme ich eine Email, dass die BluRay Disk, die ich Professor Tagaki mitgegeben habe, leer sei. Da ich noch eine zweite hier habe, checke ich auf meinem Player, ob auch diese leer ist und sehe, dass sich darauf tatsächlich "DAS ROTE ZIMMER" befindet. Dazu muss ich mühsam einige Anschlüsse umstecken, weil ich so gut wie nie BluRays anschaue.

In Japan gibt es eine "silberne Woche" habe ich heute in der FAZ gelesen. Die machen blau bis Donnerstag. Ich bin zu ungeduldig und schicke eine zweite BluRay mit der Post, denn im Internet finde ich heraus, dass das bis zu 8 Tagen dauern kann. Vor 30 Jahren brauchte ein Brief nach Fidschi oder in die Neuen Hebriden gerade mal 7 Tage. In postalischer Hinsicht ist die Welt heute nicht schneller geworden.

Wahrscheinlich habe ich noch nicht genug Porto draufgeklebt. Der "Portokalkulator" sagt mir 3,45. Früher als ich noch Briefmarken gesammelt habe wusste ich sowas in- und auswendig. Vielleicht finde ich später einmal, bevor ich sterbe, bei mir Anfänge einer Sammlung japanischer Briefmarken. Es gab ja einmal eine Zeit, da kannte ich alle Briefmarken aus der ganzen Welt. Dieser Brief, in einer Briefmarkenauktion in 100 Jahren, könnte dann vielleicht ein historisch wertvolles Dokument werden. Falls Professor Tagaki ihn nicht gleich in den Papierkorb schmeisst.
Meine Tochter Joya beantwortet inzwischen jede email von mir SOFORT. Dieses Bild mit einem iPhone 5 aufgenommen (ich bin beim iPhone 4s stehengeblieben) hat sie mir gerade gemailt.

22.9.15  
Diese Einführung und das Publikumsgespräch auf deutsch und französisch bei dem Film "BERLIN CHAMISSOPLATZ" (mit französischen Untertiteln) am 17. Juni in Brüssel.
In der nächsten Woche wiederholt sich das in St. Petersburg bei einer digitalen Vorführung und mit russischen Untertiteln. Und am 19. November nocheinmal als 16mm-Kopie mit japanischen Untertiteln in Kyoto.
So fing heute der Tag an. Danach hatte ich ein langes Telefongespräch mit meinem ältesten Sohn Harald, der in einem Monat 53 Jahre alt wird. Ich habe ihn eingeladen, auf den Bauernhof zu kommen.
Am späten Nachmittag schreibt mir Max Zihlmann, dass seine Frau in der Süddeutschen Zetung" eine Todesanzeige gefunden hat, dass Edda Köchl am Samstag, den 12. September gestorben ist. Ich hatte mit ihr noch am 7. September zweimal telefoniert, weil sie beim ersten Telefonat nicht mehr genug Luft bekam, um weiter zu sprechen. Sie hat eine der weiblichen Hauptrollen in "BESCHREIBUNG EINER INSEL" gespielt und war eine Wohnungsnachbarin von Bruno Ganz in "SYSTEM OHNE SCHATTEN" und auch in "DAS ROTE ZIMMER" war sie eine Antquitätenhändlerin, die dem Hauptdarsteller ein magisches Tablett verkauft.

23.9.15  
Edda Köchl im Film "BESCHREIBUNG EINER INSEL". Bei meinem ersten Anruf am 7. Septenber hat sie gesagt: ich bin noch nicht tot.
Eigentlich wollte ich heute nicht Fahrradfahren, merke aber nach diversen Aufräumarbeiten, dass ich das brauche, um mein inneres Gleichgewicht wieder herzustellen, denn Eddas Tod hat mich sehr mitgemommen.

Ein neues Zeichen am Wegrand.

Und bei mir im Garten erblüht eine neue Blume.

Beim Aufräumen fällt mir dieses Buch in die Hände. Es ist 1995 erschienen. Drei Jahre später hatte ich meine eigene domain moana.de und eine von mir selbst programmierte Website, die man immer noch (LINK) anschauen kann. Ich selbst bin damals noch mit Netscape Navigator im Internet spazieren gegangen. Ab April 1999 existiert dann das Design von meiner Website bis heute. Ich habe da zum ersten Mal ein Drehbuch online geschrieben. Das war "PARADISO - SIEBEN TAGE MIT SIEBEN FRAUEN" (LINK).
24.9.15   Zu Uschi Obermaiers 69. Geburtstag veröffentlicht Spiegel-Online (LINK) diesen enthusastischen Text über ihren ersten Film "DETEKTIVE". Der Text ist allerdings etwas älter, denn in ihm bin ich erst 68 und bei den Dreharbeiten zu "PINK".

Nach dem Fahrradfahren lese ich die runtergefallenen Walnüsse auf und lege sie zum Trocknen aus. Diese hier sind alle vom über 100 Jahre alten Walnussbaum, der innen inzwischen hohl ist und von Jahr zu Jahr mehr Äste verliert. Vom daneben stehenden jungen Walnussbaum ist bis jetzt noch keine einzige Nuss heruntergefallen.

Nach einem Artikel im Spiegel habe ich dieses Buch gekauft. Der Autor erzählt in fünf Bänden sein Leben als Roman. Als Joya bei mir war, war sie sofort besorgt, dass ich sowas lese. Ich habe ihr den Spiegelartikel gegeben und dann war sie beruhigt.
Heute bin ich nochmal durch meine Autobiographie-Notizen gegangen und finde das Geschriebene sehr reizvoll, aber so wie Knausgard werde ich nicht schreiben können, denn mit seinen minutiösen Details kann ich nicht dienen. Aber was er da schreibt ist bewundernswert. Ich denke ich werde auch den nächsten Band lesen, und der heißt "Lieben".
Mein Ziel ist sehr viel bescheidener. Ich will die Wahrheit über mein Leben beschreiben und hoffe, dass das für viele Leser, weil sie so total offen erzählt wird, auch oft lustig ist und sie darüber immer wieder auch lachen können.
25.9.15   Nicoletta Stella Drossa, mit der ich die letzten drei Filme gemacht habe, besucht mich heute auf dem Bauernhof und sagt mir, als sie da ist, dass sie großen Hunger hat. Naja wir essen das, was noch so da ist und fahren anschließend zusammen Fahrrad. Sie kriegt mein rotes Rad, das ihr sehr gefällt und für die Heimreise Kirschmarmelade, rote Weintrauben, Zwetschgen und die letzten kleinen Tomaten.





Es tut gut, sie nach so langer Zeit wiederzusehen. In Luckau-Uckro will ich ihr ein Storchennest mit Störchen zeigen, aber die Störche sind schon weggeflogen.
Am 22. August waren sie noch da.
26.9.15  

In Berlin erwartet mich ziemlich viel geschäftliche Arbeit. Buchhaltung für das 3. Quartal vorbereiten. Sämtliche neue Post in Ordner einsortieren. Dann will ich meine Hautarztrechnung bezahlen und stelle fest, dass darauf kein Bankkonto steht. Das habe ich noch nie erlebt.
Abenteuer in der Großstadt am Nachmittag: Die Straßen und U-Bahnen sind randvoll. Überall.

Am U-Bahnhof Platz der Lufbrücke drängen sich die Menschen. Am Eingang verkauft einer Bratwürste, denn im Flughafen Tempelhof ist heute eine Marathon-Messe.
Ich will zu meinem homöopathischen Arzt fahren, steige aber an einem viel zu weit entfernten Bahnhof aus.. Draußen auf der Bundeaallee versuche ich mich zu orientieren. Ich hole mein iPhone raus, um in etwa zu sehen, wo ich bin. Ich muß zu Fuß gut eine halbe Stunde laufen und fange langsam an, die Häuser links und rechts wiederzuerkennen. Ich bin ganz schön verweifelt, denn ich will pünktlich sein.

Mein Doktor seit 26 Jahren. Er versorgt mich mit allem, was ich für meine Reise nach St. Petersburg brauche und erklärt mir, wie ich mit der U-Bahn nach Hause komme und wo ich eine Apotheke finde, die noch aufhat.

Als ich aus seiner Praxis komme, rasen die Skater auf dem Hohenzollerndamm an mir vorbei. Wegen denen und wegen der Marathonläufer morgen ist die halbe Stadt gesperrt.

Am Mehringdamm steige ich aus, weil da die Apotheke ist, die aufhaben soll. Aber sie hat jetzt nicht auf, sondern erst ab 21 Uhr.
Neben der Apotheke ist eine Imbissbude. Auch da stehen die Leute in einer langen Schlange. Also laufe ich weiter bis zur Bergmannstraße. Die nächste Apotheke hat auch zu. Am Ende der Bergmannstraße, gegenüber der Marheineckehalle finde ich endlich eine Apotheke, die geöffnet ist. Die ist zwar auch voll. Aber ich bekomme die Medikamente, die mein Arzt mir verschrieben hat. Ich denke, ich bin heute über eine Stunde zu Fuß gelaufen. Ich hoffe nur, dass meine Knie nicht streiken, wenn ich in St. Petersburg bin.

27.9.15  
Weil ich gestern so viel gelaufen bin, laufe ich heute Morgen um halb zehn zum Flohmarkt an der Marheineckehalle. Als ich wieder zu Hause bin, finde ich Post von Peter Nestler aus Stockholm und von Mikhail Ratgauz aus Moskau, mit dem ich ich am 11. Mai ein über zwei Stunden langes Skype-Interview gemacht habe. Er schreibt mir, dass es Pläne gibt, "BERLIN CHAMISSOPLATZ" auch auf einem Festival in Nowosibirsk zu zeigen.
Draußen findet heute der Berlin-Marathon statt. Vor jetzt dreißig Jahren bin ich ihn auch gelaufen. Ich glaube, es waren ca. 4 Stunden, die ich dafür gebraucht habe. Auf den letzten paar hundert Metern auf dem Kudamm, stand mein Freund Alexander Malkowsky und hat mich angefeuert. Jetzt ist er seit zwei Jahren tot. Das Traurigste beim Altwerden ist nicht, dass der eigene Körper immer mehr Fähigkeiten verliert, sondern das Gewahrwerden, dass mehr und mehr Menschen, zu denen man eine Beziehung hatte, unheilbar krank werden und sterben. Auch den größten Egozentriker nimmt das mit, weil ihn das daran erinnert, dass auch er einmal sterben wird. Ich nehme das Älterwerden zwar sportlich, so als wäre das Leben ein Marathonlauf. Deshalb habe ich mich bis jetzt über jedes neue Jahr, das ich erreicht habe, gefreut.
Und am Straßenrand stehen meine Kinder und meine ägyptische Freundin und feuern mich bei diesem "Lebenslauf" an.

28.9.15   Ab 4 Uhr bin ich auf den Beinen. Das Taxi kommt um 8.45 Uhr. Bis 10.15 Uhr habe ich alle Widrigkeiten auf dem Schönefelder Flughafen hinter mich gebracht. In der Mall, die mich sehr an DDR-Zeiten erinnert, kaufe ich im Dutyfree-Shop Zigaretten. Als ich bezahlen will, fällt der Strom aus.

Der Flieger ist bis auf den letzten Platz voll. Das winzige belegte Brötchen macht mich selbtsverständlich nicht satt. Der Himmel ist bei der Landung voller schwarzer Wolken. Ich will ein Foto machen, aber meine Kamera funktioniert nicht mehr richtig. An der Gepäckausgabe erfahre ich, wie überall auf der Welt Gepäckausgaben funktionieren sollten. Kaum bin ich da, kommt mein Koffer. Eine nette, blonde Finnin freut sich, dass ich so schnell gekommen bin und organisiert ein Auto, das mich zum Hotel bringt. Der Fahrer spricht nur russisch und das kann ich nicht sprechen. Er setzt mich vor einem Hotel ab, über das ich kein weiteres Wort verlieren möchte. Während ich an der Einlaßecke, die man nicht Empfang nennen kann, stehe, heute zum 6. Mal meinen Paß vorzeige, kommt Andrei Kartashov (der bei mir auf dem Bauernhof war) und sagt mir, dass der Gästedienst mich in das falsche Hotel gefahren hat. Wir warten noch auf seine Freundin Anna, die auch damals auf dem Bauernhof dabei war und fahren zu guter letzt in das richtige Hotel. Dann habe ich Hunger und vom Nichtsessen schon leichte Bauchschmerzen. Wir gehen in ein Restaurant um die Ecke

Eine Journalistin aus Moskau hat sich für ein Interview angemeldet und wir machen, während wir essen das Interview auf Englisch. Andrei übersetzt ins Russische.

Das Interview. Fotografiert von Anna.
Dannach laufen wir sehr lange zum Kino. Ich ziehe am Geldautomaten im Kino mit Annas Hilfe 7.000 Rubel. (= 95 Euro). Dann will ich das Kino sehen.

Kino leer.

Kino fast voll. Das Publikumsgespräch danach geht für mein Gefühl ziemlich lange Um 22.30 Uhr bin ich wieder in meinem Hotelzimmer und habe Zeit, meine Sachen auszupacken und diesen Blogeintrag zu schreiben.
29.9.15   Ich schlafe bis 7 Uhr. Das passiert mir ganz selten. Das Hotel ist voller Japaner. Aus Japan erhalte ich die Nachricht von Professor Tagaki, dass die zweite BluRay von "DAS ROTE ZIMMER" angekommen und in Ordnung ist.

Das Vedensky-Hotel, in dem ich die nächsten Tage schlafe und lebe. Die Schönheiten von St. Petersburg habe ich bis jetzt nur im Vorbeifahren gesehen. Heute gibt es eine Fahrt zur Ermitage.



In der Ermitage angekommen, haben wir 2 Stunden Zeit, um uns was auch immer uns interessiert, anzuschauen und dann gemeinsam wieder zurückzufahren. Ich gestehe, ich hatte keine Ahnung, was mich erwartet: Es ist nicht ein Gebäude, sondern eine Stadt in der Stadt, eine Art Dschungel der Kunst, in dem zigtausende Touristen aus aller Welt (davon geschätzt 50 Prozent Japaner) und geführt von vielleicht hundert Tourführern herumirren und unterbrochen von den ausgestellten Kunstwerken Fotos machen.

Ein Bild von Leonardo d Vinci. Umlagert von gut 50 bs 100 Japanern. Davon habe ich auf dem Rückweg einen Film für Vimeo gemacht.

Russische Kinder mit ihrer Lehrerin.

Nochmal russische Kinder.

Ich verirre mich in die Ägypten-Abteilung der Ermitage.







Da bin ich fast allein, fühle mich auch ein bisschen zuhause und kann mich entspannen, um den Rückweg aus dem Kunst-Dschungel zu finden.
Mein Interview mit Fotos (LINK) für das St. Petersburg-Filmfestival auf russisch.

Heute Abend werde ich in einem Filmclub "Oki's Movie" von Hong Sang-soo zeigen und eine Einführung halten..
Als ich kam war, der Nebenraum in einer Buchhandlung bis auf den letzten Platz voll. Vorgeführt wurde der Film von einer DVD. Als der Film zu Ende war, war nur noch ein Drittel der Zuschauer da. Es war die merkwürdigste Filmvorführung meines Lebens. Im Film wurde koreanisch gesprochen, und die Untertitel waren russisch. Ich habe also auf der sprachlichen Ebene nichts verstanden, sondern musste mich ganz auf meine Erinnerung verlassen.
Die Reaktion auf "Oki's Movie" hat mir keine Ruhe gelassen. Ich schaue nach in meinem Blog, was ich damals beim ersten Sehen über den Film geschrieben habe:
Am 29.11.10
Heute habe ich "Oki's Movie", den letzten und vielleicht für mich besten Film von Hong Sang-soo gesehen. Ich war manchmal fassunglos angesichts seiner erzählerischen Kühnheit. Aber auch wegen seiner Schönheit. Wenn ich noch wie früher als Filmkritiker Punkte vergeben könnte, würde ich diesem Film fünf Sterne geben und ein Plus-Zeichen: absoltutes Meisterwerk.
und am 30. 11.10
Was mich an diesem Film auf Anhieb begeistert hat, war seine absolute Einfachheit.
Vier Filme mit vier verschiedenen Titeln (A Day for Chanting, King of Kiss, After the Snowstorm und Oki's Movie). Vor allem der letzte dieser vier Filme hat mich umgehauen, weil da alles, was vorher gezeigt wurde, als Film der weiblichen Hauptdarstellerin Oki - aus ihrer Perspektive - über ihre komplizierte Beziehung zu zwei Männern, die man vorher in den andreren Filmen gesehen hat, erzählt und mit ihrer Off-Stimme reflektiert wird. Das ist genial!
"Oki's Movie" ist als Film wie ein Lebewesen von einem anderen Stern. Auf den ersten Blick kann man seine Gestalt sehen, aber alles was darin verborgen ist, erschließt sich nur teilweise. Auch beim zweiten Sehen bleiben Szenen übrig, die nicht zu entschlüsseln sind. Sie wirken wie Einschlüsse in Bergkristallen. Der erste Film zeigt Jingu, den männlichen Hauptdarsteller mit seiner Frau (ob das Oki ist, weiß ich nicht), verheiratet und als Professor in der Filmabteilung einer Universität. Seine Frau will nicht, dass er raucht und schon gar nicht dass er trinkt, macht ihm also das Leben schwer - was normal ist in einer Ehe. Dann gibt es Szenen aus seinem Berufsleben als Filmprofessor und am Ende ein Publikumsgespräch, das unglaublich ist. Eine Frau im Publikum sagt, dass sie ihm eine persönliche Frage stellen will, wirft ihm aber vor, dass er mit ihrer Freundin, die vor vier Jahren seine Schülerin war, deren Leben zerstört hat, weil er mit ihr geschlafen hat.
Der zweite Film, "King of Kiss" zeigt Jingu als Filmstudenten. Sein Studentenfilm soll auf einem internen Hochschulfestival den ersten Preis gewonnen haben. Das interessiert ihn nicht so besonders. Er interessiert sich für eine Kommillitonin, Oki. Die hat allerdings eine Liebesbeziehung zu einem älteren Professor, der für beide zuständig ist. Er kriegt sie trotzdem rum.
Im dritten Film "After the Snowstorm" sind beide, Oki und Jingu allein mit ihrem Professor in einem Seminarraum und dürfen ihn alles, was für sie im Leben wichtig ist, fragen, weil wegen des Schneesturms kein anderer Student gekommen ist. Die Szene erinnert an Anna Karinas Gespräch mit einem Philosophen in "Vivre sa vie" von Godard. Ich bin mir ziemlich sicher, dass Hong Sang-soo diese Godard-Szene vor Augen hatte. Ich habe auch immer wieder davon geträumt, etwas Ähnliches zu machen.
Dann kommt der vierte Film. Ein Film der Filmstudentin Oki. Sie versucht, ihre Beziehung zu ihrem Professor und zu Jingu filmisch miteinander zu vergleichen. Sie geht mit beiden auf einen Berg und zeigt, was der "alte Mann" gemacht und gesagt hat und ineinander geschnitten, wie der "junge Mann" sich verhalten hat.
Mein Gott, schöner kann Kino nicht sein.

30.9.15   Noch ein paar Bilder von gestern Abend. Auf dem Weg zu "Oki's Movie".







Anna bestellt etwas zu essen für sich und mich in diesem Szene-Café. Ich lade sie ein. Sie ist mein guardian angel in St. Petersburg.

In dieser Szene küsst Jingu Oki ziemlich lange und ziemlich wild, und Oki sagt: "You are a good kisser." Ich habe darauf gewartet, dass hier im Publikum jemand lacht. Niemand hat gelacht. Vielleicht waren die meisten schon weg.


Zum Mittagessen war ich heute mit Mikhail Ratgauz veraberedet. Um 10 rief er mich an, dass er sich sehr stark erkältet habe. Ich ärgere mich, dass ich keine Calcium Frubiase Trinkampullen mitgenommen habe. Damit habe ich vor 5 Jahren Apichatpong Weerasethakul auf der Viennale vor einer beginnenden Erkältung retten können. Ich fürchte, dass es Calcium Frubiase in Russland nicht gibt. Also erkunde ich, wie sonst auch immer auf Festivals, die nähere Umgebung meines Hotels. Draußen weht ein eiskalter Wind, und die Luft auf den Hauptstraßen ist schlimmer als in Kairo.

Blick vom Dach meines Hotels.

Gleich nebendran ist ein Kino…

…mit diesem Programm.

Und in einer Nebenstraße zwischen Hotel und Kino finden Dreharbeiten statt. Als ich vorbei gehe, wird gerade die Kamera zurückgebracht. Ich meine, eine Red Epic erkannt zu haben und werde ganz wehmütig.



Ein Applehändler. Im Schaufenster das neue MacBook in Gold, dass meine ägyptische Freundin an Ostern kaufen wollte. Ich habe es ihr wegen der fehlenden Anschlüsse ausgeredet.

Das älteste Auto, das ich bis jetzt in St. Petersburg gesehen habe.

Grafitto auf der Wand einer Garage.

Kleingarten auf dem Garagendach.

Am Abend die Festivalvorführung von "BERLIN CHAMISSOPLATZ. Am Anfang meiner Einführung waren weniger Leute da als bei "ROTE SONNE". Aber es kamen mehr und mehr. Ich sagte, ich werde solange sprechen, bis auch der letzte Platz belegt ist. Das hat nur 2 oder 3 Minuten gedauert. Mir selbst hat dann "BERLIN CHAMISSOPLATZ" in dieser perfekten Digitalprojektion, in diesem Kino und auf dieser Leinwand unglaublich gut gefallen. So habe ich ihn noch nie gesehen. Ganz zum Schluss gab's dann noch ein richtiges Kinounglück. Das werde ich morgen beschreiben, denn ich bin müde von dem unendlich langen Publikumsgespräch danach.

   

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